Mein Grab

Mein Grab soll eine helle Birke sein,
in der ich, wenn's drauf an kommt, leben kann:
Ihr Blätterdach sei nicht zu dicht -
Ich bin es schließlich selber nicht.
Trägt keine Früchte, birgt nur Pollen,
daß Nasen mein gedenken sollen,
doch kommt kein Baum an ihre Schönheit ran:
Sie fängt und birgt den warmen Sommerschein -
Mein Grab soll eine helle Birke sein.

Und auf dem Grab ein großer, grauer Stein,
in dem ich, wenn's drauf an kommt, schlafen kann:
Sei Marmor nicht und nicht Basalt,
im Sommer warm, im Winter kalt.
Auch keine Goldschrift soll es geben:
Ein Findling nur, voll eignem Leben.
Im Innern fängt mein Herz zu träumen an,
läßt mich im Schlaf mit meiner Nacht allein -
und auf dem Grab ein großer Stein.

Und auf dem Stein ein aufgeschlagnes Buch
Durch das ich, wenn's drauf an kommt, reden kann:
Der Wind soll durch die Seiten ziehen,
so wie Gedanken mir entfliehen.
Der Regenguß verlöscht mein Wort -
So fliegt auch die Erinnrung fort.
Doch wird sich mancher wundern dann und wann,
zerreißt mit Fragen des Vergessens Tuch:
Und auf dem Grab ein aufgeschlagnes Buch.

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