Der verzweifelte Dichter

Der Dichter saß am Sommertag
im warmen, weichen Sand.
Er streckte sich behaglich aus
und sprach: »Ich bin bekannt!

Ich reime all- und jedes Ding
auf dieser weiten Welt.
Auf dich, o Sand, da reimt sich ‘Strand’.
Nun sag: Bin ich ein Held?«

Der Sand, er reagierte nicht,
denn er war taub und stumm.
Er sah den Dichter nicht einmal.
Der Dichter fand ihn dumm.

»Versuchen wir es noch einmal:
Es reimt sich Wand, Hand, Band,
auch Stand, Rand, Land …« Der Dichter sprach.
Wer nicht sprach, war der Sand.

So ging das fast zwei Stunden lang,
dann fiel ihm nichts mehr ein.
Der Dichter war total geknickt
und fand den Sand gemein.

Er fühlte sich zutiefst gekränkt
in seinem Dichterherz:
Er war berühmt, doch dieser Sand
verursachte ihm Schmerz.

Er spuckte kräftig in den Sand,
dann sagte er: »Pardon!«
und ging nach Haus. Der Sand jedoch,
der merkte nichts davon.

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